Methan, Fracking, Flüssiggasterminals und wie die Zukunft unserer Kinder verkauft wird

Seit über einem Jahr gehen in Deutschland Kinder und Jugendliche freitags auf die Straßen, um für die Erhaltung ihrer Lebensgrundlagen zu demonstrieren, und dagegen, dass sie dem Profit geopfert werden. Moment mal – die junge Generation muss die alte daran erinnern, dass sie ihre Zukunft bitte nicht zerstören soll?? Eigentlich sollte so etwas nicht nötig sein. Eigentlich sollten es die Erwachsenen sein, die Schaden von den Jungen abwenden. So sollte es sein – aber stattdessen versucht die Generation der Erwachsenen, oder zumindest ein Teil davon, die protestierende Jugend sogar noch auszutricksen, indem klimazerstörende Maßnahmen als Klimaschutz schmackhaft gemacht werden.

Aber der Reihe nach. Neben Kohlendioxid (CO2) ist Methan (CH4) der zweitwichtigste Verursacher des Treibhauseffekts, der die Erde in den letzten Jahren so dramatisch aufheizt. Nach Daten der National Oceanic & Atmospheric Administration, einer US-Bundesbehörde, betrug der Klimaantrieb durch das CO2, das seit Beginn der Industrialisierung in die Luft geblasen wurde, im Jahr 2018 ziemlich genau 2 Watt pro Quadratmeter der Erdoberfläche, der Klimaantrieb durch Methan immerhin noch etwas über 0,5 Watt/m2, also ein Viertel davon. Der Methangehalt, der durch menschliche Aktivitäten seit Beginn der Industrialisierung ähnlich wie der CO2-Gehalt in die Höhe geschnellt war, hatte ungefähr von 2000 bis 2007 ein Plateau erreicht, das heißt er blieb eine Zeitlang unverändert (siehe Graphik). Aber zu früh gefreut – seit 2007 steigt der Gehalt wieder stark an. Wo kommt dieses Methan her?

Abbildungsunterschrift: Der Methangehalt der Atmosphäre in ppb (Teile pro Milliarde); Entwicklung von 1980 bis heute. Quelle: National Oceanic & Atmospheric Administration, https://www.esrl.noaa.gov/gmd/aggi/aggi.html

Welche Methanquellen gibt es überhaupt? Einerseits entsteht Methan bei der Förderung, dem Transport und der Verarbeitung von fossilen Brennstoffen, also Kohle, Erdöl und Erdgas. Kohle enthält Methan, und Erdgas besteht sogar zum größten Teil aus Methan. Hier geht es also um die anthropogene Freisetzung von fossilem Methan. Andererseits kann es auch auf natürlichem Wege dazu kommen, dass Erdgas oder Erdöl an der Erdoberfläche austreten und dadurch Methan an die Luft abgegeben wird (natürliche Freigabe von fossilem Methan). Eine weitere Methanquelle sind biologische Prozesse, wie die Zersetzung von Biomasse in Rindermägen, die Methanfreisetzung beim Nassfeld-Reisanbau, oder die Zersetzung von Biomasse in Sümpfen, auf Müllkippen und in Kläranlagen (biogene Quellen). Schliesslich wird Methan bei der Verbrennung von Biomasse, etwa bei Waldbränden, freigesetzt.

Die Herkunft von Methan lässt sich mit Hilfe der Isotopenzusammensetzung des Kohlenstoffs, also des C im CH4, bis zu einem gewissen Grade zurückverfolgen. Isotope sind Arten eines Elements mit gleichen chemischen Eigenschaften, aber unterschiedlicher Masse. Bei verschiedenen Bildungsprozessen des Methans werden verschiedene C-Isotope unterschiedlich stark eingebaut, sodass sich verschiedene Isotopenverhältnisse ergeben, die man messen kann. In zwei wichtigen neuen Arbeiten (Howarth, 2019, in der Zeitschrift Biogeosciences, und Hmiel et al., 2020, in der Zeitschrift Nature) wurden die Anteile der Isotope 13C beziehungsweise 14C zur Abschätzung der Herkunft des jüngsten Methananstieges verwendet. Hmiel et al. (2020) zeigen, dass die natürliche Freigabe von fossilem Methan in wesentlich geringerem Maße geschieht als bisher angenommen, und untermauern dadurch die Ergebnisse von Howarth (2019): Methanfreisetzung bei der Produktion von Schiefergas in Nordamerika durch die Fracking-Technologie ist wahrscheinlich für ein Drittel der gesamten Methanemissionen im letzten Jahrzehnt verantwortlich. Die kommerzielle Förderung von Schiefergas im 21. Jahrhundert, die zu 89 % in den USA stattfindet und zu 10 % in Kanada, hat die weltweiten Methanemissionen dramatisch in die Höhe getrieben.

Was ist Schiefergas? Erdöl und Erdgas entstehen aus Planktonresten in ehemaligen Meeresablagerungen im Untergrund (Muttergesteine). Ein Teil des Gases und Öls macht sich aufgrund seiner geringen Dichte auf den Weg nach oben und sammelt sich in porösen Gesteinen (Speichergesteinen), die nach oben durch eine undurchlässige Gesteinsschicht abgedichtet werden. Aus diesen porösen Gesteinen können sie dann heraufgepumpt werden – das ist konventionelles Erdgas oder Erdöl. Der Teil, der im Muttergestein zurückbleibt, konnte früher nicht gefördert werden. Durch gezielte Bohrtechnik und Einpressen von Wasser, Sand und Chemikalien  – Maßnahmen, die als Fracking zusammengefasst werden – kommt man auch an diesen Teil heran: das Schieferöl und vor allem das Schiefergas. Etwa seit 2000 entwickelte sich das Fracking in Nordamerika zu einem wahren Boom, der einerseits zur flächendeckenden Umweltzerstörung, andererseits zum Verfall des Gaspreises geführt hat. Als Ausweg aus dem Preisverfall sieht vor allem die US-Regierung die Verflüssigung des Gases durch extremes Abkühlen (unter hohem Energieaufwand), die Verschiffung nach Übersee (ebenfalls unter hohem Energieaufwand), und den Verkauf an die dortigen Abnehmerländer, die unter anderem durch politischen Druck dazu gebracht werden, mitzumachen. Flüssiggas aus Übersee ist dadurch gleich in mehrfacher Weise belastet: einmal dadurch, dass die Produktion für einen großen Teil der gestiegenen Emissionen des Klimagiftes Methan verantwortlich ist, wie oben erläutert, dann durch die krasse Umweltzerstörung bei der Produktion, durch den Energieaufwand bei der Verflüssigung, und durch den Energieaufwand beim Transport.

Dennoch schickt sich Deutschland an, an der Küste drei neue Terminals zum Anlanden von Flüssiggas zu bauen. Die Bundesregierung, die Investoren und die beteiligten Firmen – RWE ist auch wieder dabei – machen sich damit zu Komplizen eines gigantischen Umwelt- und Klimaverbrechens. Besonders empörend ist die Scheinheiligkeit, mit der falsche Informationen aufgetischt werden. Norbert Brackmann, CDU, der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, versteigt sich laut der Deutschen Welle zu der Behauptung: „Damit dient LNG dem internationalen Klimaschutz“ (LNG bedeutet Liquified Natural Gas, also verflüssigtes Erdgas). Womit wir zurück am Ausgangspunkt sind: Klimazerstörung wird als Klimaschutz verkauft. Ein beschämender Mangel an Ehrlichkeit.